Piet Plezier
22 maart 2021, 09:13
Ein Ende der Sexarbeit?
Seit Monaten ruht aufgrund der Corona-Epidemie die organisierte Prostitution in Deutschland. Während viele Sexarbeiterinnen um ihre Existenz bangen, setzen sich einige Politiker und Kirchenvertreter für ein generelles Sexkauf-Verbot ein. Doch auch kirchliche Meinungen gehen dabei auseinander.
Seit fast fünf Monaten dürfen die meisten Prostituierten in Deutschland ihrem Gewerbe nicht mehr nachgehen – wegen der Infektionsgefahr durch COVID-19. Mit dramatischen Folgen. Silvia Vorhauer berät bei der diakonischen Anlaufstelle „Mitternachtsmission“ in Dortmund betroffene Frauen:
„Existenzangst macht sich breit: ‚Ich schaffe das nicht mehr, ich habe nichts mehr, kein Erspartes.‘ Das hat auch eine psychische Komponente, dass sich langsam das Gefühl breit macht: ‚Wir kommen ganz zum Schluss.‘ Das macht auch was mit dem Selbstwertgefühl. Menschen in der Sexarbeit sind ja sowieso eine hoch tabuisierte Randgruppe.“
Kein Geld, keine Wohnung
Auch der SKF, der Sozialdienst katholischer Frauen, der sich seit über 100 Jahren um in Not geratene Prostituierte kümmert, konstatiert, ihre Lebensbedingungen hätten sich dramatisch verschlechtert. Renate Jachmann-Willmer ist Bundesgeschäftsführerin des SKF. Sie sagt:
„Keine Prostitution, kein Geld; sehr häufig keine Wohnung. Soweit Frauen in Bordellen gewohnt haben, haben sie die Wohnung verloren und sind auf der Straße oder bei Freiern, was sie in neue Abhängigkeit bringt. Die, die drogenabhängig sind, schlucken alles, was sie kriegen können und sind ins Dunkelfeld gewandert. Die Situation ist wirklich übel.“
Frauen, die hoch verschuldet oder drogenabhängig sind, würden den Verboten zum Trotz weiter ihre sexuellen Dienste anbieten. Silvia Vorhauser von der Diakonie in Dortmund ergänzt:
„Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass einige weiter arbeiten müssen, um überhaupt überleben zu können.“
Viele der betroffenen Frauen hätten auf Erspartes zurückgegriffen oder Sozialleistungen beantragt, manche auch die Corona-Hilfe für Solo-Selbstständige erhalten. Aber:
„Es gibt Frauen, die haben nach wie vor keine Leistungen in Anspruch genommen, aus Angst und auch Scham, und es gibt eine Gruppe, die keinen Anspruch hat auf Leistungen.“
Manche Sexarbeiterinnen wie die Hamburgerin Undine haben seit Anfang März auf direkten Kundenkontakt verzichtet und sich neue Arbeitsfelder erschlossen. Sie arbeitet nur noch online mit erotischer Hypnose per Videochats und Audiofiles. Sie kritisiert, bei fast allen anderen Berufen, die körpernah ausgeübt werden, seien die Corona-Beschränkungen weitgehend aufgehoben, nur bei Prostituierten nicht:
„Es ist wirklich nicht mehr epidemiologisch oder rational erklärlich, warum dieses Berufsverbot immer noch soweit herrscht. Wir verstehen es nicht mehr. In den Anfängen war das noch nachvollziehbar, aber allmählich ist da ein sehr großer Ärger in der Sexworker-Community und das auch zurecht.“
Sexarbeit auf Augenhöhe – das gibt es nur für wenige Frauen
Sabine Constabel kann der derzeitigen Situation allerdings durchaus etwas Positives abgewinnen. Denn sie setzt sich für die Abschaffung der Prostitution ein. Die Reformen der vergangenen Jahrzehnte wie das Prostitutionsgesetz von 2002 und das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 hätten wenig gebracht, meint die Stuttgarter Sozialarbeiterin:
„All das hat keine Wirkung gehabt. Es hat das Elend der Frauen in der Prostitution nicht verändert, weil das Übel eben nicht die Rahmenbedingungen der Prostitution sind. Das, was die Frauen so verletzt und was so destruktiv an der Prostitution ist: Dass da Menschen gehandelt werden. Dass sich der Sexkäufer eine Frau zur sexuellen Benutzung kauft, die Frau wird zum Objekt, das ist die Verletzung.“
Das sieht die Hamburger Sexarbeiterin Undine ganz anders:
„Wir verkaufen genauso wie jeder andere Mensch unsere Dienstleistungen und unsere Arbeitskraft und – ganz ehrlich – möchte ich nicht mit einem Bauarbeiter tauschen wollen, der auf längere Zeit körperliche Schäden durch seine Arbeit davonträgt, was mir als Sexarbeiterin noch nicht passiert ist.“
Undine arbeitet normalerweise im eigenen Studio – unter anderem als Domina.
„Sexarbeit kann vollständig auf Augenhöhe stattfinden, die Machtverhältnisse zwischen Kunden und Sexarbeitenden sind weit gestreut. Es ist natürlich so, dass es Fälle gibt, in denen Sexarbeitende aus finanziellen Gründen Dinge tun, die ihnen nicht guttun. Das ist in vielen anderen Jobs bedauerlicherweise auch so. Deshalb ist das, was wir brauchen, Alternativen für die, die gern andere Jobs machen wollen, und eine Bekämpfung von Armut und nicht von Sexarbeit.“
https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-prostitutionsgesetz-ein-ende-der-sexarbeit.886.de.html?dram:article_id=481735
Seit Monaten ruht aufgrund der Corona-Epidemie die organisierte Prostitution in Deutschland. Während viele Sexarbeiterinnen um ihre Existenz bangen, setzen sich einige Politiker und Kirchenvertreter für ein generelles Sexkauf-Verbot ein. Doch auch kirchliche Meinungen gehen dabei auseinander.
Seit fast fünf Monaten dürfen die meisten Prostituierten in Deutschland ihrem Gewerbe nicht mehr nachgehen – wegen der Infektionsgefahr durch COVID-19. Mit dramatischen Folgen. Silvia Vorhauer berät bei der diakonischen Anlaufstelle „Mitternachtsmission“ in Dortmund betroffene Frauen:
„Existenzangst macht sich breit: ‚Ich schaffe das nicht mehr, ich habe nichts mehr, kein Erspartes.‘ Das hat auch eine psychische Komponente, dass sich langsam das Gefühl breit macht: ‚Wir kommen ganz zum Schluss.‘ Das macht auch was mit dem Selbstwertgefühl. Menschen in der Sexarbeit sind ja sowieso eine hoch tabuisierte Randgruppe.“
Kein Geld, keine Wohnung
Auch der SKF, der Sozialdienst katholischer Frauen, der sich seit über 100 Jahren um in Not geratene Prostituierte kümmert, konstatiert, ihre Lebensbedingungen hätten sich dramatisch verschlechtert. Renate Jachmann-Willmer ist Bundesgeschäftsführerin des SKF. Sie sagt:
„Keine Prostitution, kein Geld; sehr häufig keine Wohnung. Soweit Frauen in Bordellen gewohnt haben, haben sie die Wohnung verloren und sind auf der Straße oder bei Freiern, was sie in neue Abhängigkeit bringt. Die, die drogenabhängig sind, schlucken alles, was sie kriegen können und sind ins Dunkelfeld gewandert. Die Situation ist wirklich übel.“
Frauen, die hoch verschuldet oder drogenabhängig sind, würden den Verboten zum Trotz weiter ihre sexuellen Dienste anbieten. Silvia Vorhauser von der Diakonie in Dortmund ergänzt:
„Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass einige weiter arbeiten müssen, um überhaupt überleben zu können.“
Viele der betroffenen Frauen hätten auf Erspartes zurückgegriffen oder Sozialleistungen beantragt, manche auch die Corona-Hilfe für Solo-Selbstständige erhalten. Aber:
„Es gibt Frauen, die haben nach wie vor keine Leistungen in Anspruch genommen, aus Angst und auch Scham, und es gibt eine Gruppe, die keinen Anspruch hat auf Leistungen.“
Manche Sexarbeiterinnen wie die Hamburgerin Undine haben seit Anfang März auf direkten Kundenkontakt verzichtet und sich neue Arbeitsfelder erschlossen. Sie arbeitet nur noch online mit erotischer Hypnose per Videochats und Audiofiles. Sie kritisiert, bei fast allen anderen Berufen, die körpernah ausgeübt werden, seien die Corona-Beschränkungen weitgehend aufgehoben, nur bei Prostituierten nicht:
„Es ist wirklich nicht mehr epidemiologisch oder rational erklärlich, warum dieses Berufsverbot immer noch soweit herrscht. Wir verstehen es nicht mehr. In den Anfängen war das noch nachvollziehbar, aber allmählich ist da ein sehr großer Ärger in der Sexworker-Community und das auch zurecht.“
Sexarbeit auf Augenhöhe – das gibt es nur für wenige Frauen
Sabine Constabel kann der derzeitigen Situation allerdings durchaus etwas Positives abgewinnen. Denn sie setzt sich für die Abschaffung der Prostitution ein. Die Reformen der vergangenen Jahrzehnte wie das Prostitutionsgesetz von 2002 und das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 hätten wenig gebracht, meint die Stuttgarter Sozialarbeiterin:
„All das hat keine Wirkung gehabt. Es hat das Elend der Frauen in der Prostitution nicht verändert, weil das Übel eben nicht die Rahmenbedingungen der Prostitution sind. Das, was die Frauen so verletzt und was so destruktiv an der Prostitution ist: Dass da Menschen gehandelt werden. Dass sich der Sexkäufer eine Frau zur sexuellen Benutzung kauft, die Frau wird zum Objekt, das ist die Verletzung.“
Das sieht die Hamburger Sexarbeiterin Undine ganz anders:
„Wir verkaufen genauso wie jeder andere Mensch unsere Dienstleistungen und unsere Arbeitskraft und – ganz ehrlich – möchte ich nicht mit einem Bauarbeiter tauschen wollen, der auf längere Zeit körperliche Schäden durch seine Arbeit davonträgt, was mir als Sexarbeiterin noch nicht passiert ist.“
Undine arbeitet normalerweise im eigenen Studio – unter anderem als Domina.
„Sexarbeit kann vollständig auf Augenhöhe stattfinden, die Machtverhältnisse zwischen Kunden und Sexarbeitenden sind weit gestreut. Es ist natürlich so, dass es Fälle gibt, in denen Sexarbeitende aus finanziellen Gründen Dinge tun, die ihnen nicht guttun. Das ist in vielen anderen Jobs bedauerlicherweise auch so. Deshalb ist das, was wir brauchen, Alternativen für die, die gern andere Jobs machen wollen, und eine Bekämpfung von Armut und nicht von Sexarbeit.“
https://www.deutschlandfunk.de/debatte-um-prostitutionsgesetz-ein-ende-der-sexarbeit.886.de.html?dram:article_id=481735